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Was ist der Steuerbescheid?

Kirsten Weißbacher
Verfasst von Kirsten Weißbacher
Zuletzt aktualisiert: 03. Dezember 2025
Lesedauer: 9 Minuten

Alles auf einen Blick

  • Der Steuerbescheid ist ein Verwaltungsakt, durch den das Finanzamt die Steuer gegenüber dem Steuerpflichtigen gemäß § 155 Abs. 1 AO festsetzt.
  • Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids (§ 355 Abs. 1 AO). Seit dem 1. Januar 2025 gilt eine Bekanntgabefiktion von vier Tagen nach Postaufgabe (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).
  • Der Steuerbescheid muss gemäß § 157 Abs. 1 AO schriftlich oder elektronisch erteilt werden und Steuerart, Steuerbetrag sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten.
  • Die reguläre Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO); bei Steuerhinterziehung verlängert sie sich auf zehn Jahre.
  • Eine Korrektur ist unter bestimmten Voraussetzungen nach §§ 129, 164, 165, 173, 175 AO möglich.

Steuerbescheid Definition

Der Steuerbescheid ist ein Verwaltungsakt der Finanzbehörde, durch den gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 AO die Steuer gegenüber dem Steuerpflichtigen festgesetzt wird. Er bestimmt die Art der Steuer, den zu zahlenden oder zu erstattenden Betrag sowie den Steuerschuldner und enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 157 Abs. 1 AO.

Wie wird der Steuerbescheid bekanntgegeben?

Der Steuerbescheid muss gemäß § 157 Abs. 1 Satz 1 AO schriftlich oder elektronisch erteilt werden. Die Bekanntgabe erfolgt in der Regel durch einfachen Brief. Seit dem 1. Januar 2025 gilt ein Steuerbescheid am vierten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO in der Fassung des Postrechtsmodernisierungsgesetzes vom 15. Juli 2024). Fällt dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, verschiebt sich die Bekanntgabe gemäß § 108 Abs. 3 AO auf den nächsten Werktag.

Bekanntgabefristen im Überblick

ÜbermittlungsartBekanntgabefiktion
Postzustellung Inland4 Tage nach Aufgabe
Postzustellung Ausland1 Monat nach Aufgabe
Elektronische Übermittlung4 Tage nach Absendung
Förmliche ZustellungTag der tatsächlichen Zustellung

Ergebnis: Die Bekanntgabe ist maßgeblich für den Beginn der Einspruchsfrist.

Pflichtangaben im Steuerbescheid

Gemäß § 157 Abs. 1 AO muss ein Steuerbescheid folgende Angaben enthalten:

  • die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag
  • die Bezeichnung des Steuerschuldners
  • die Rechtsbehelfsbelehrung mit Angabe der Einspruchsfrist und der zuständigen Behörde

Praktische Beispiele

Beispiel 1: Berechnung der Einspruchsfrist bei Postversand

Ein Steuerpflichtiger erhält seinen Einkommensteuerbescheid. Der Bescheid trägt das Datum 10. März 2025 und wird am selben Tag zur Post gegeben.

PositionDatum
Postaufgabe des Bescheids10. März 2025
+ 4 Tage Bekanntgabefiktion14. März 2025
Bekanntgabe (Freitag)14. März 2025
Beginn der Einspruchsfrist15. März 2025
Ende der Einspruchsfrist14. April 2025

Ergebnis: Der Einspruch muss bis zum 14. April 2025 beim Finanzamt eingehen.

Beispiel 2: Bekanntgabe am Wochenende

Der Steuerbescheid wird am Mittwoch, dem 2. April 2025, zur Post gegeben.

PositionDatum
Postaufgabe des Bescheids2. April 2025 (Mittwoch)
+ 4 Tage6. April 2025 (Sonntag)
Verschiebung gemäß § 108 Abs. 3 AO7. April 2025 (Montag)
Bekanntgabe7. April 2025
Ende der Einspruchsfrist7. Mai 2025

Ergebnis: Da der vierte Tag auf einen Sonntag fällt, gilt der Bescheid erst am Montag als bekanntgegeben.

Beispiel 3: Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung

Ein Unternehmer gibt seine Einkommensteuererklärung ab. Das Finanzamt setzt die Steuer gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.

SituationRechtsfolge
Vorbehalt der NachprüfungBescheid bleibt vollständig änderbar
ÄnderungsmöglichkeitJederzeit während der Festsetzungsfrist
Wegfall des VorbehaltsSpätestens nach 4 Jahren (§ 164 Abs. 4 AO)

Ergebnis: Solange der Vorbehalt besteht, können sowohl Steuerpflichtiger als auch Finanzamt Änderungen beantragen oder vornehmen.

Ausnahmen und Besonderheiten

Vorläufige Steuerfestsetzung

Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann das Finanzamt die Steuer vorläufig festsetzen, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind. Dies geschieht insbesondere bei anhängigen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof oder dem Bundesverfassungsgericht zu bestimmten Rechtsfragen. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind im Bescheid anzugeben.

Vorbehalt der Nachprüfung

Nach § 164 Abs. 1 AO können Steuern unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, solange der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist. Der Vorbehalt entfällt gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 AO mit Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist. Die verlängerten Festsetzungsfristen bei Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung verlängern den Vorbehalt ausdrücklich nicht (§ 164 Abs. 4 Satz 2 AO).

Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten

Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten können gemäß § 129 AO jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag berichtigt werden. Die Berichtigung ist nicht an die Einspruchsfrist gebunden.

Änderung wegen neuer Tatsachen

Gemäß § 173 Abs. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führen. Bei Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen (niedrigere Steuer) darf diesem kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden treffen.

Änderung wegen rückwirkender Ereignisse

Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Die nachträgliche Erteilung einer Bescheinigung gilt dabei nicht als rückwirkendes Ereignis.

Festsetzungsfristen

SachverhaltFestsetzungsfrist
Reguläre Frist für Besitz- und Verkehrsteuern4 Jahre
Verbrauchsteuern1 Jahr
Leichtfertige Steuerverkürzung5 Jahre
Steuerhinterziehung10 Jahre

Ergebnis: Nach Ablauf der Festsetzungsfrist ist eine Steuerfestsetzung gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig.

Zusammengefasste Steuerbescheide

Gemäß § 155 Abs. 3 AO können bei mehreren Gesamtschuldnern zusammengefasste Steuerbescheide erlassen werden. Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, erhalten regelmäßig einen gemeinsamen Bescheid.

Automationsgestützte Steuerfestsetzung

Nach § 155 Abs. 4 AO kann die Finanzbehörde Steuern ausschließlich automationsgestützt festsetzen, sofern kein Anlass zur Einzelfallprüfung besteht. Eine Einzelfallprüfung ist insbesondere erforderlich, wenn der Steuerpflichtige in seiner Erklärung entsprechende Angaben gemäß § 150 Abs. 7 AO gemacht hat.

Vorteile

  • rechtssicherer Verwaltungsakt: Der Steuerbescheid schafft Klarheit über die Steuerschuld und wird nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig.

  • transparente Berechnung: Der Bescheid enthält eine nachvollziehbare Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und der festgesetzten Steuer.

  • effektiver Rechtsschutz: Gegen den Steuerbescheid kann innerhalb eines Monats Einspruch eingelegt werden, ohne dass Kosten entstehen.

  • automatische Günstigerprüfung: Bei bestimmten Wahlrechten (etwa Kinderfreibetrag oder Sparer-Pauschbetrag) führt das Finanzamt von Amts wegen die günstigere Berechnung durch.

  • klare Zahlungsfristen: Der Bescheid nennt den Fälligkeitstermin für Nachzahlungen oder das Erstattungsdatum.

Nachteile

  • kurze Einspruchsfrist: Nach Ablauf der Monatsfrist wird der Bescheid bestandskräftig und ist nur noch unter engen Voraussetzungen änderbar.

  • schwierige Beweislast bei Nichterhalt: Bei behauptetem Nichtzugang des Bescheids muss der Steuerpflichtige substantiiert darlegen, dass der Bescheid nicht innerhalb der Bekanntgabefiktion zugegangen ist.

  • verzögerte Zustellung: Die Viertagesfrist ist eine gesetzliche Fiktion; der tatsächliche Zugang kann später erfolgen, was die effektive Reaktionszeit verkürzt.

  • komplexe Korrekturvorschriften: Die verschiedenen Änderungsvorschriften (§§ 129, 164, 165, 173, 175 AO) erfordern genaue Kenntnis der Voraussetzungen.

HINWEIS DER REDAKTION
Unser Steuerlexikon basiert auf dem jeweils aktuellen Stand von Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Zeitpunkt der Erstellung. Da sich steuerliche Regelungen dynamisch entwickeln, können spätere Anpassungen erforderlich sein. Wir verfolgen Änderungen kontinuierlich und aktualisieren die Inhalte regelmäßig. Dieses Lexikon ersetzt keine individuelle Steuerberatung. Bitte konsultieren Sie in spezifischen Fällen einen Steuerberater.


Fazit

Der Steuerbescheid ist das zentrale Instrument der Finanzverwaltung zur Festsetzung von Steuern gegenüber dem Steuerpflichtigen. Er muss gemäß §§ 155, 157 AO schriftlich oder elektronisch ergehen und die Steuerart, den Steuerbetrag sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Seit dem 1. Januar 2025 gilt die verlängerte Bekanntgabefiktion von vier Tagen nach Postaufgabe, was Steuerpflichtigen etwas mehr Zeit für die Prüfung und einen möglichen Einspruch verschafft. Innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat können Fehler des Finanzamts ohne Kostenrisiko gerügt werden. Nach Bestandskraft ist eine Änderung nur noch unter den engen Voraussetzungen der §§ 129, 164, 165, 173, 175 AO möglich.

Häufige Fragen (FAQ)

Wie lange habe ich Zeit, Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen?

Die Einspruchsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO einen Monat ab Bekanntgabe des Steuerbescheids. Bei Zustellung per Post gilt der Bescheid seit dem 1. Januar 2025 am vierten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Fällt dieser Tag auf ein Wochenende oder einen Feiertag, verschiebt sich die Bekanntgabe auf den nächsten Werktag.

Wann gilt ein Steuerbescheid als bekanntgegeben?

Ein Steuerbescheid gilt bei Übersendung durch einfachen Brief gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am vierten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Bei elektronischer Übermittlung gilt dieselbe Viertagesfrist ab Absendung. Bei förmlicher Zustellung ist der Tag der tatsächlichen Zustellung maßgeblich. Im Ausland beträgt die Frist einen Monat nach Aufgabe zur Post.

Welche Angaben muss ein Steuerbescheid enthalten?

Gemäß § 157 Abs. 1 AO muss ein Steuerbescheid die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen, den Steuerschuldner benennen und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Diese muss auf die Möglichkeit des Einspruchs, die Einspruchsfrist und die zuständige Behörde hinweisen. Fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung oder ist sie unrichtig, verlängert sich die Einspruchsfrist auf ein Jahr.

Kann ein bestandskräftiger Steuerbescheid noch geändert werden?

Ein bestandskräftiger Steuerbescheid kann unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden: bei offenbaren Unrichtigkeiten nach § 129 AO jederzeit, bei neuen Tatsachen nach § 173 AO, bei rückwirkenden Ereignissen nach § 175 AO oder bei vorläufiger Festsetzung nach § 165 AO. Bei einem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO ist der Bescheid bis zu dessen Aufhebung ohnehin vollständig änderbar.

Wie lange darf das Finanzamt einen Steuerbescheid erlassen?

Die reguläre Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre für die meisten Steuerarten. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde. Bei Steuerhinterziehung verlängert sich die Frist auf zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

Was bedeutet Vorbehalt der Nachprüfung im Steuerbescheid?

Ein Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO kann vom Finanzamt jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist. Der Steuerpflichtige kann ebenfalls Änderungsanträge stellen. Der Vorbehalt entfällt mit Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Die verlängerten Festsetzungsfristen bei Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung verlängern den Vorbehalt ausdrücklich nicht (§ 164 Abs. 4 Satz 2 AO).

Welche Rechte habe ich bei einem fehlerhaften Steuerbescheid?

Bei einem fehlerhaften Steuerbescheid können Steuerpflichtige innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat formlos Einspruch beim Finanzamt einlegen. Der Einspruch ist kostenfrei. Wird dem Einspruch nicht abgeholfen, ergeht eine Einspruchsentscheidung, gegen die Klage beim Finanzgericht erhoben werden kann. Bei offenbaren Unrichtigkeiten kann auch nach Ablauf der Einspruchsfrist eine Berichtigung nach § 129 AO beantragt werden.

Quellen

Bundesministerium der Justiz. "§ 155 AO – Steuerfestsetzung." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__155.html Zugriff am 2. Dezember 2025.

Bundesministerium der Justiz. "§ 157 AO – Form und Inhalt der Steuerbescheide." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__157.html Zugriff am 2. Dezember 2025.

Bundesministerium der Justiz. "§ 122 AO – Bekanntgabe des Verwaltungsakts." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__122.html Zugriff am 2. Dezember 2025.

Bundesministerium der Justiz. "§ 169 AO – Festsetzungsfrist." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__169.html Zugriff am 2. Dezember 2025.

Bundesfinanzministerium. "Amtliches AO-Handbuch." https://ao.bundesfinanzministerium.de Zugriff am 2. Dezember 2025.

Bundesfinanzhof. "Urteil vom 20.02.2025 – VI R 18/22 (Zugangsvermutung bei nicht täglicher Zustellung)." https://www.bundesfinanzhof.de Zugriff am 2. Dezember 2025.

Über unsere*n Autor*in
Kirsten Weißbacher
Kirsten hat Germanistik in Hamburg studiert und im Anschluss ein Volontariat gemacht. Nach ihrem Start in der Unternehmenskommunikation eines lokalen Herstellers wechselte sie in die freiberufliche Tätigkeit. Seit Februar 2024 ist Kirsten bei Digitale Seiten und schreibt dort Ratgeber zu Handwerksthemen aller Art.