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Was ist die Gewinnermittlung?

Kirsten Weißbacher
Verfasst von Kirsten Weißbacher
Zuletzt aktualisiert: 03. Dezember 2025
Lesedauer: 10 Minuten

Alles auf einen Blick:

  • Die Gewinnermittlung erfolgt durch (1) Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG; bei Kaufleuten i.V.m. § 5 EStG), (2) Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) und (3) bei Land-/Forstwirten ggf. nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG).
  • Buchführungspflicht besteht, wenn Umsätze 800.000 Euro oder Gewinne 80.000 Euro übersteigen (§ 141 AO).
  • Die Einnahmen-Überschussrechnung ist für kleinere Unternehmen ohne Buchführungspflicht zulässig.
  • Land- und Forstwirte können Durchschnittssätze nutzen, wenn die bewirtschaftete Fläche 20 Hektar (Landwirtschaft) oder 50 Hektar (Forstwirtschaft) nicht übersteigt und nicht mehr als 50 Vieheinheiten gehalten werden.

Gewinnermittlung Definition

Die Gewinnermittlung ist die Berechnung des steuerpflichtigen Gewinns eines Unternehmens nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Nach § 4 Abs. 1 EStG ist der Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um Entnahmen und vermindert um Einlagen (§ 4 Abs. 1 EStG). Die Gewinnermittlung ist die Grundlage für die Berechnung der Einkommensteuer und Gewerbesteuer.

Wie wird die Gewinnermittlung durchgeführt?

Die Gewinnermittlung erfolgt durch verschiedene Methoden, die sich nach der Art und Größe des Unternehmens sowie dem Status des Steuerpflichtigen richten.

Betriebsvermögensvergleich

Der Betriebsvermögensvergleich ist die Standardmethode für Steuerpflichtige, die zur Buchführung verpflichtet sind oder freiwillig Bücher führen (§ 4 Abs. 1 EStG). Dabei wird das Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahres mit dem Betriebsvermögen am Ende des Vorjahres verglichen. Der Gewinn ergibt sich aus der Differenz, wobei Entnahmen hinzugerechnet und Einlagen abgezogen werden.

Einnahmen-Überschussrechnung

Die Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) ist eine vereinfachte Gewinnermittlungsmethode nach § 4 Abs. 3 EStG für Steuerpflichtige, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind. Der Gewinn wird als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt. Durchlaufende Posten, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden, bleiben außer Ansatz (§ 4 Abs. 3 Satz 2 EStG). Die Gewinnermittlung muss elektronisch über die standardisierte Anlage EÜR eingereicht werden (§ 60 Abs. 4 EStDV).

Bilanzierung nach Handelsrecht

Bei Gewerbetreibenden, die nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist das Betriebsvermögen nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen (§ 5 Abs. 1 EStG). Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gilt: Sie sind nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden (§ 5 Abs. 2 EStG).

Buchführungspflicht und Gewinnermittlung

Die Buchführungspflicht nach § 141 AO tritt ein, wenn folgende Grenzen überschritten werden: Umsätze von mehr als 800.000 Euro pro Jahr, Gewinne aus Gewerbebetrieb von mehr als 80.000 Euro pro Jahr oder Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 80.000 Euro pro Jahr. Die Buchführungspflicht gilt ab dem Wirtschaftsjahr, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung durch die Finanzbehörde folgt (§ 141 Abs. 2 AO). Sie endet mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde den Wegfall der Voraussetzungen feststellt.

Unternehmen, die nach Handelsrecht von der Bilanzierungspflicht befreit sind (Umsätze von nicht mehr als 800.000 Euro, Jahresüberschuss von nicht mehr als 80.000 Euro nach § 241a HGB), können trotzdem zur steuerlichen Buchführung verpflichtet sein, wenn die steuerlichen Grenzen überschritten werden.

Gewinnermittlung in der Landwirtschaft

Land- und Forstwirte können ihre Gewinne nach Durchschnittssätzen ermitteln (§ 13a EStG). Diese Methode ist zulässig, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: bewirtschaftete Fläche von nicht mehr als 20 Hektar (Landwirtschaft) oder nicht mehr als 50 Hektar (Forstwirtschaft) und Tierbestände nicht über 50 Vieheinheiten. Die standardisierte Gewinnermittlung erfolgt über Anlage 13a nach den vom Bundesfinanzministerium festgelegten Durchschnittssätzen.

Praktische Beispiele

Beispiel 1: Gewinnermittlung nach EÜR

Ein Einzelunternehmer mit Betriebseinnahmen von 45.000 Euro und Betriebsausgaben von 28.000 Euro ermittelt seinen Gewinn nach der Einnahmen-Überschussrechnung.

BerechnungBetrag
Betriebseinnahmen45.000 Euro
− Betriebsausgaben28.000 Euro
= Gewinn17.000 Euro

Ergebnis: Der Gewinn von 17.000 Euro wird als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert. Der Unternehmer muss die Gewinnermittlung über die Anlage EÜR elektronisch einreichen.

Beispiel 2: Betriebsvermögensvergleich

Ein Gewerbetreibender führt Bücher und ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Das Betriebsvermögen am Ende des Jahres beträgt 120.000 Euro, am Ende des Vorjahres 100.000 Euro. Im Laufe des Jahres wurden 5.000 Euro entnommen und 8.000 Euro eingelegt.

BerechnungBetrag
Betriebsvermögen (Jahresende)120.000 Euro
− Betriebsvermögen (Vorjahresende)100.000 Euro
+ Entnahmen5.000 Euro
− Einlagen8.000 Euro
= Gewinn17.000 Euro

Ergebnis: Der Gewinn beträgt 17.000 Euro nach dem Betriebsvermögensvergleich. Dieser Gewinn wird als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert.

Beispiel 3: Landwirtschaft mit Durchschnittssätzen

Ein Landwirt bewirtschaftet 15 Hektar und kann die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen durchführen. Der Grundbetrag nach Anlage 1a zu § 13a für 2025 beträgt 350 Euro pro Hektar (zuzüglich etwaiger Zuschläge für Vieheinheiten).

BerechnungBetrag
Bewirtschaftete Fläche15 Hektar
× Grundbetrag 2025 (Anlage 1a)350 Euro/Hektar
= Gewinn (vereinfacht)5.250 Euro

Ergebnis: Der Gewinn wird vereinfacht mit 5.250 Euro ermittelt (ohne Viehzuschläge). Der Landwirt kann diese Methode nutzen, da die bewirtschaftete Fläche 20 Hektar nicht übersteigt und weitere Voraussetzungen erfüllt sind.

Ausnahmen und Besonderheiten

Bei der Gewinnermittlung gelten mehrere Besonderheiten. Wirtschaftsgüter, die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt sind, können zum gewillkürten Betriebsvermögen gemacht werden (verwaltungs-/rechtsprechungsgeprägt; vgl. EStH 2024, Anhang 16 Nr. XIII). Das Finanzamt kann zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag auf die elektronische Übermittlung der Bilanz verzichten (E-Bilanz-Befreiung nach § 5b Abs. 2 EStG) oder auf die elektronische Übermittlung der Einnahmen-Überschussrechnung verzichten (§ 60 Abs. 4 Satz 5–6 EStDV).

Beim Wechsel der Gewinnermittlungsart (zum Beispiel von § 4 Abs. 3 zu § 5 EStG) sind Zu- und Abrechnungen vorzunehmen. Das Übergangsergebnis kann auf Antrag zur Vermeidung von Härten gleichmäßig auf das Jahr des Übergangs und das folgende Jahr oder auf das Jahr des Übergangs und die beiden folgenden Jahre verteilt werden.

Vorteile

  • vereinfachte Methode: Die Einnahmen-Überschussrechnung ermöglicht kleineren Unternehmen eine unkomplizierte Gewinnermittlung ohne aufwendige Buchführung.

  • Wirtschaftsjahr-Festlegung: Gewerbetreibende können ein abweichendes Wirtschaftsjahr nur wählen, wenn ihr Unternehmen im Handelsregister eingetragen ist; sonst gilt das Kalenderjahr (§ 4a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Land- und Forstwirte haben ein festgelegtes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni.

  • Durchschnittssätze in der Landwirtschaft: Land- und Forstwirte können standardisierte Durchschnittssätze nutzen, was die Gewinnermittlung erheblich vereinfacht.

  • gewillkürtes Betriebsvermögen: Wirtschaftsgüter können gezielt zum Betriebsvermögen gemacht werden, um den Betrieb zu fördern.

  • Übergangserleichterung: Beim Wechsel der Gewinnermittlungsart können Übergangsergebnisse auf mehrere Jahre verteilt werden.

Nachteile

  • komplexe Buchführung: Größere Unternehmen müssen nach Handelsrecht Bücher führen und Abschlüsse machen, was aufwendig und kostspielig ist.

  • strenge Grenzen: Sobald Umsätze 800.000 Euro oder Gewinne 80.000 Euro überschreiten, besteht Buchführungspflicht, unabhängig vom Unternehmenstyp.

  • elektronische Übermittlung: Bilanzen und Einnahmen-Überschussrechnungen müssen elektronisch übermittelt werden (E-Bilanz, Anlage EÜR), was technische Anforderungen stellt.

  • immaterielle Wirtschaftsgüter: Selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter können nicht aktiviert werden, nur entgeltlich erworbene (§ 5 Abs. 2 EStG).

  • Durchlaufende Posten: Bei der EÜR müssen durchlaufende Posten außer Ansatz bleiben, was die Gewinnermittlung kompliziert.

HINWEIS DER REDAKTION
Unser Steuerlexikon basiert auf dem jeweils aktuellen Stand von Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Zeitpunkt der Erstellung. Da sich steuerliche Regelungen dynamisch entwickeln, können spätere Anpassungen erforderlich sein. Wir verfolgen Änderungen kontinuierlich und aktualisieren die Inhalte regelmäßig. Dieses Lexikon ersetzt keine individuelle Steuerberatung. Bitte konsultieren Sie in spezifischen Fällen einen Steuerberater.


Fazit

Die Gewinnermittlung ist das Fundament der Besteuerung von Unternehmen und erfolgt durch verschiedene Methoden: den Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) für buchführungspflichtige Unternehmen, die Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) für kleinere Betriebe und optional für Land-/Forstwirte Durchschnittssätze (§ 13a EStG). Die steuerliche Buchführungspflicht tritt ein, wenn Umsätze 800.000 Euro oder Gewinne 80.000 Euro übersteigen, und gilt ab dem Wirtschaftsjahr nach Mitteilung durch das Finanzamt. Land- und Forstwirte können vereinfachte Durchschnittssätze nutzen, wenn die bewirtschaftete Fläche 20 Hektar (Landwirtschaft) oder 50 Hektar (Forstwirtschaft) nicht übersteigt und Tierbestände 50 Vieheinheiten nicht überschreiten. Nutzen Sie die für Ihre Unternehmensgröße passende Methode und prüfen Sie jährlich, ob Sie die Schwellen für Buchführungspflicht überschreiten.

Häufige Fragen (FAQ)

Was ist der Unterschied zwischen Betriebsvermögensvergleich und EÜR?

Der Betriebsvermögensvergleich ist für buchführungspflichtige Unternehmen vorgeschrieben und vergleicht das Betriebsvermögen zweier Jahresenden. Die Einnahmen-Überschussrechnung ist eine vereinfachte Methode für kleinere Unternehmen, die nicht buchführungspflichtig sind, und ermittelt den Gewinn direkt aus Einnahmen minus Ausgaben.

Ab wann besteht Buchführungspflicht?

Buchführungspflicht besteht nach § 141 AO, wenn der Jahresumsatz 800.000 Euro übersteigt oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb beziehungsweise Land- und Forstwirtschaft 80.000 Euro übersteigt (§ 141 Abs. 1 AO). Die Pflicht gilt ab dem Wirtschaftsjahr, das auf die schriftliche Mitteilung der Finanzbehörde folgt, und endet mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde den Wegfall der Voraussetzungen feststellt (§ 141 Abs. 2 AO).

Können Land- und Forstwirte immer Durchschnittssätze nutzen?

Land- und Forstwirte können Durchschnittssätze nach § 13a EStG nutzen, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: bewirtschaftete Fläche von nicht mehr als 20 Hektar (Landwirtschaft) oder nicht mehr als 50 Hektar (Forstwirtschaft) UND Tierbestände nicht über 50 Vieheinheiten. Größere Betriebe oder solche mit mehr als 50 Vieheinheiten müssen nach der regulären Methode abrechnen.

Müssen EÜR und Bilanzen elektronisch übermittelt werden?

Die Einnahmen-Überschussrechnung muss nach § 60 Abs. 4 EStDV elektronisch übermittelt werden. Bilanzen unterliegen der E-Bilanz-Pflicht nach § 5b EStG. Das Finanzamt kann auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten Befreiungen gewähren.

Was sind durchlaufende Posten bei der EÜR?

Durchlaufende Posten sind Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden. Sie bleiben bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG außer Ansatz und beeinflussen den Gewinn nicht.

Kann ich von der Buchführungspflicht befreit werden?

Die Buchführungspflicht kann nicht grundsätzlich befreit werden, wenn die gesetzlichen Grenzen überschritten sind. Das Finanzamt kann jedoch auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf die elektronische Übermittlung verzichten.

Wie lange gilt die Gewinnermittlung für ein Wirtschaftsjahr?

Die Gewinnermittlung erfolgt für ein Wirtschaftsjahr. Bei Gewerbetreibenden entspricht das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr oder einem abweichenden Geschäftsjahr. Bei Land- und Forstwirten ist das Wirtschaftsjahr festgelegt vom 1. Juli bis 30. Juni.

Quellen & weiterführende Informationen

Deutscher Bundestag. "Einkommensteuergesetz (EStG) § 4 Gewinnermittlung." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__4.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Einkommensteuergesetz (EStG) § 4a Wirtschaftsjahr." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__4a.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Einkommensteuergesetz (EStG) § 5 Betriebsvermögen." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__5.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Einkommensteuergesetz (EStG) § 5b Elektronische Übermittlung." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__5b.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Einkommensteuergesetz (EStG) § 13a Gewinnermittlung durch Durchschnittssätze." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__13a.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Abgabenordnung (AO) § 141 Buchführungspflicht." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__141.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Bundesfinanzministerium. "BMF-Schreiben zur Anlage EÜR 2025." https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/2025-08-29-anlage-EUER-2025.pdf Zugriff am 15. Januar 2025.

Bundesfinanzministerium. "Lohnsteuer-Richtlinien (LStH) und Einkommensteuer-Richtlinien (EStH) 2025 zu § 13a." https://lsth.bundesfinanzministerium.de/lsth/2025/A-Einkommensteuergesetz/II-Einkommen-2-24b/8-Die-einzelnen-Einkunftsarten-13-24b/a-Land-und-Forstwirtschaft-13-14a/Paragraf-13a/inhalt.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Über unsere*n Autor*in
Kirsten Weißbacher
Kirsten hat Germanistik in Hamburg studiert und im Anschluss ein Volontariat gemacht. Nach ihrem Start in der Unternehmenskommunikation eines lokalen Herstellers wechselte sie in die freiberufliche Tätigkeit. Seit Februar 2024 ist Kirsten bei Digitale Seiten und schreibt dort Ratgeber zu Handwerksthemen aller Art.