Alles auf einen Blick:
- Der Aufhebungsbescheid hebt einen rechtswidrigen oder rechtmäßigen Verwaltungsakt auf Grundlage der §§ 130, 131 AO auf.
- Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist eine Ermessensentscheidung des Finanzamts nach § 130 AO.
- Bei rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten beträgt die Rücknahmefrist 1 Jahr ab Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen (§ 130 Abs. 3 AO).
- Steuerbescheide können nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben oder geändert werden (§ 172 AO).
Aufhebungsbescheid Definition
Ein Aufhebungsbescheid ist ein Verwaltungsakt, durch den die Finanzbehörde einen vorherigen Verwaltungsakt (insbesondere einen Steuerbescheid) ganz oder teilweise aufhebt oder ändert. Nach § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 131 Abs. 1 AO kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden (§ 130 Abs. 1, § 131 Abs. 1 AO).
Wie wird der Aufhebungsbescheid berücksichtigt?
Der Aufhebungsbescheid wird durch 2 grundlegende Mechanismen berücksichtigt: die Rücknahme und der Widerruf. Die Rücknahme betrifft rechtswidrige Verwaltungsakte und kann mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc) oder die Zukunft (ex nunc) erfolgen. Der Widerruf betrifft rechtmäßige Verwaltungsakte und erfolgt nur mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc).
Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte
Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist eine Ermessensentscheidung. Das Finanzamt kann einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen, muss es aber nicht. Bei rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakten (z.B. Strafzinsen) kann die Finanzbehörde ohne weitere Voraussetzungen zurücknehmen. Bei rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten (z.B. Steuergutschriften) darf die Rücknahme nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen.
Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte
Der Widerruf eines rechtmäßigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts ist grundsätzlich zulässig, sofern nicht ein Verwaltungsakt mit demselben Inhalt erneut zu erlassen wäre oder der Widerruf aus anderen Gründen unzulässig ist (§ 131 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig: wenn Widerruf vorbehalten wurde, wenn eine mit dem Verwaltungsakt verbundene Auflage nicht erfüllt wird, oder wenn aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen die Behörde berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen (§ 131 Abs. 2 AO).
Anwendung im Einspruchsverfahren
Im Einspruchsverfahren gelten die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf (§§ 130, 131 AO) nach § 132 Satz 1 AO weiterhin auch während des Verfahrens ("Die Vorschriften über Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten gelten auch während eines Einspruchsverfahrens"). Zugleich erlaubt § 367 Abs. 2 Satz 1 AO eine vollständige Neubewertung durch Abhilfe, wodurch die Finanzbehörde zusätzliche Flexibilität erhält. Die Finanzbehörde kann den angefochtenen Verwaltungsakt umfassend überprüfen und entsprechend ändern oder aufheben, wobei sowohl die allgemeinen Korrekturvorschriften (§§ 130, 131 AO) als auch die erweiterten Möglichkeiten des § 367 AO zur Verfügung stehen.
Praktische Beispiele
Beispiel 1: Rücknahme eines rechtswidrigen Steuerbescheids wegen sachlicher Unzuständigkeit
Ein Finanzamt erlässt 2024 einen Steuerbescheid für einen Steuerpflichtigen, obwohl das Finanzamt sachlich unzuständig ist. Das richtige Finanzamt wird 2025 tätig und stellt die Rechtswidrigkeit fest. Das richtige Finanzamt kann den Steuerbescheid des ersten Finanzamts nach § 130 Abs. 1 AO zurücknehmen, da ein Steuerbescheid ein belastender (nicht begünstigender) Verwaltungsakt ist und dieser von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen wurde.
| Sachverhalt | Feststellung |
|---|---|
| Erlassende Behörde | Finanzamt A (unzuständig) |
| Rechtmäßige Behörde | Finanzamt B |
| Rücknahmegrundlage | § 130 Abs. 1 AO |
| Rechtsfolge | Aufhebung des Bescheids möglich |
Ergebnis: Das zuständige Finanzamt kann den Steuerbescheid aufheben und neu erlassen, da die sachliche Unzuständigkeit einen Rücknahmegrundgrund darstellt.
Beispiel 2: Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts wegen unrichtiger Angaben
Ein Steuerpflichtiger erhält 2023 eine Steuererstattung von 5.000 Euro. 2025 stellt das Finanzamt fest, dass der Steuerpflichtige bei der Steuererklärung unrichtige Angaben gemacht hat. Die Erstattung war rechtswidrig. Das Finanzamt kann die Erstattung zurücknehmen, muss aber innerhalb von 1 Jahr seit Kenntnis der unrichtigen Angaben handeln.
| Berechnung | Betrag |
|---|---|
| Ursprüngliche Erstattung | 5.000 Euro |
| Rückforderung | 5.000 Euro |
| Rücknahmefrist | 1 Jahr seit Kenntnis |
| Rücknahmegrundlage | § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO |
Ergebnis: Das Finanzamt kann die Erstattung zurücknehmen und die 5.000 Euro zurückfordern, solange die Jahresfrist nicht abgelaufen ist.
Ausnahmen und Besonderheiten
Die Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt durch unlautere Mittel (arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung) erwirkt worden ist (§ 130 Abs. 3 Satz 2 AO). In diesem Fall kann die Rücknahme unbegrenzt erfolgen.
Steuerbescheide, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, können abweichend von § 173 Abs. 1 AO nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt (§ 173 Abs. 2 AO).
Nach Ablauf der Festsetzungsfrist kann eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr erfolgen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Bei Verbrauchsteuern (z.B. Energiesteuer, Tabaksteuer) gilt eine kürzere Frist von 1 Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).
Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, wenn ein Grundlagenbescheid erlassen, aufgehoben oder geändert wird (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Ein rückwirkendes Ereignis führt ebenfalls zur Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).
Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 AO).
Vorteile
umfassende Korrekturmöglichkeit: Der Aufhebungsbescheid ermöglicht es, rechtswidrige Verwaltungsakte auch nach deren Unanfechtbarkeit zu korrigieren und damit Rechtssicherheit zu schaffen.
flexible Wirkung: Die Rücknahme kann mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft erfolgen, was eine flexible Fehlerbereinigung ermöglicht.
Schutz des Begünstigten: Der Vertrauensschutz des Begünstigten begrenzt die Rücknahme von Verwaltungsakten durch die Voraussetzungen in §§ 130 Abs. 2, 3 AO.
Verfahrensflexibilität im Einspruch: Im Einspruchsverfahren gelten die Korrekturvorschriften §§ 130, 131 AO weiterhin (§ 132 Satz 1 AO), aber § 367 Abs. 2 AO bietet durch Abhilfe zusätzliche Flexibilität zur umfassenden Überprüfung und Korrektur.
Nachteile
eingeschränkte Rücknahmemöglichkeit: Bei begünstigenden Verwaltungsakten ist die Rücknahme nur unter engen Voraussetzungen zulässig und unterliegt einer 1-Jahresfrist.
hohe Anforderungen an Rücknahme: Liegt dem Begünstigten grobe Fahrlässigkeit zur Unkenntnis der Rechtswidrigkeit zur Last, ermöglicht dies die Rücknahme nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO, auch wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist.
Unsicherheit für den Begünstigten: Ein Aufhebungsbescheid kann zu Nachzahlungen oder Rückforderungen führen und damit finanzielle Belastungen verursachen.
komplexe Voraussetzungen: Die verschiedenen Voraussetzungen für Rücknahme und Widerruf sind komplex und erfordern genaue Prüfung.
Fazit
Der Aufhebungsbescheid ist ein zentrales Instrument der Finanzbehörde zur Korrektur von Verwaltungsakten und Steuerbescheiden. Die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte erfolgt nach § 130 AO, während der Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte nach § 131 AO geregelt ist. Für begünstigende Verwaltungsakte gelten strenge Voraussetzungen und eine Jahresfrist, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Im Einspruchsverfahren hat die Finanzbehörde erweiterte Möglichkeiten zur Überprüfung und Korrektur. Nutzen Sie die Möglichkeit der Günstigerprüfung und prüfen Sie regelmäßig, ob Fehler in Ihren Steuerbescheiden vorliegen, um eine Rücknahme oder Änderung zu beantragen.
Häufige Fragen (FAQ)
Kann ein Aufhebungsbescheid auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgen?
Nach Ablauf der Festsetzungsfrist kann eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr erfolgen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt bei Verbrauchsteuern 1 Jahr und im Übrigen 4 Jahre. Eine Ausnahme besteht bei Steuerhinterziehung (10 Jahre) oder leichtfertiger Steuerverkürzung (5 Jahre).
Wie lange kann die Finanzbehörde einen begünstigenden Verwaltungsakt zurücknehmen?
Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nur innerhalb von 1 Jahr ab Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zulässig (§ 130 Abs. 3 Satz 1 AO). Diese Frist entfällt, wenn der Verwaltungsakt durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt wurde (§ 130 Abs. 3 Satz 2 AO).
Welche Voraussetzungen müssen für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts erfüllt sein?
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nur zurückgenommen werden, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt: 1) von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen, 2) durch unlautere Mittel erwirkt, 3) durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt, 4) die Rechtswidrigkeit war bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt (§ 130 Abs. 2 AO).
Unterscheidet sich die Rücknahme von der Änderung eines Verwaltungsakts?
Die Rücknahme hebt einen Verwaltungsakt auf, während die Änderung den Verwaltungsakt mit einem anderen Inhalt beibehält. Beide Begriffe werden oft zusammengefasst als "Aufhebung oder Änderung". Die rechtlichen Voraussetzungen sind in den §§ 130, 131 AO festgelegt.
Kann ein Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen?
Der Widerruf nach § 131 AO erfolgt nur mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc). Die Rücknahme nach § 130 AO kann dagegen mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc) oder die Zukunft (ex nunc) erfolgen. Bei ex-tunc-Rücknahme wirkt die Beseitigung rückwirkend; eine Nichtigkeit i.S.d. § 125 AO liegt dadurch nicht vor.
Muss die Finanzbehörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen?
Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist eine Ermessensentscheidung des Finanzamts. Das Finanzamt kann einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurücknehmen, muss es aber nicht. Bei begünstigenden Verwaltungsakten sind zusätzliche Voraussetzungen erforderlich, die die Rücknahme einschränken.
Welche Rolle spielt der Aufhebungsbescheid im Einspruchsverfahren?
Im Einspruchsverfahren gelten die Korrekturvorschriften §§ 130, 131 AO nach § 132 Satz 1 AO weiterhin. Aufgrund der umfassenden Überprüfungsmöglichkeit nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO (Abhilfe) erhält die Finanzbehörde jedoch zusätzliche Flexibilität. Die Finanzbehörde kann den angefochtenen Verwaltungsakt umfassend überprüfen und entsprechend aufheben oder ändern, wobei sowohl die allgemeinen Korrekturvorschriften als auch die erweiterten Möglichkeiten des § 367 AO zur Verfügung stehen.
Quellen & weiterführende Informationen
Bundesministerium der Finanzen. "Abgabenordnung (AO) § 130 – Rücknahme." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__130.html Zugriff am 5. November 2025.
Bundesministerium der Finanzen. "Abgabenordnung (AO) § 131 – Widerruf." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__131.html Zugriff am 5. November 2025.
Bundesministerium der Finanzen. "Abgabenordnung (AO) § 132 – Änderung im Rechtsbehelfsverfahren." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__132.html Zugriff am 5. November 2025.
Bundesministerium der Finanzen. "Abgabenordnung (AO) § 367 – Entscheidung über den Einspruch." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__367.html Zugriff am 5. November 2025.
Bundesministerium der Finanzen. "Abgabenordnung (AO) § 169 – Festsetzungsfrist." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__169.html Zugriff am 5. November 2025.