Alles auf einen Blick
- Die Abstandszahlung ist eine finanzielle Entschädigung für den Verzicht auf vertragliche Rechte, insbesondere bei Miet- oder Pachtverhältnissen.
- Für den Zahlenden kann die Abstandszahlung als Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 EStG oder als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG abzugsfähig sein.
- Erhält ein Wohnungsmieter eine Abstandszahlung für die vorzeitige Aufgabe des Mietrechts, ist diese nach BFH-Rechtsprechung grundsätzlich nicht einkommensteuerpflichtig (BFH, Urteil vom 14.9.1999, IX R 89/95).
- Abstandszahlungen im Arbeitsrecht fallen unter § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG und können der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG unterliegen.
- Die steuerliche Behandlung beim Zahlenden hängt von der anschließenden Nutzung des Objekts ab.
Abstandszahlung Definition
Die Abstandszahlung bezeichnet eine finanzielle Entschädigung, die eine Vertragspartei an die andere zahlt, um diese zum Verzicht auf bestimmte vertragliche Rechte zu bewegen. Sie kommt insbesondere bei der vorzeitigen Aufhebung von Miet-, Pacht- oder Arbeitsverträgen vor und stellt steuerrechtlich eine besondere Form der Abfindung dar.
Wie wird die Abstandszahlung berücksichtigt?
Die steuerliche Behandlung der Abstandszahlung unterscheidet sich je nachdem, ob man Zahlender oder Empfänger ist und in welchem Kontext die Zahlung erfolgt.
Steuerliche Behandlung beim Zahlenden
Vermieter zahlt an Mieter:
Ob die Abstandszahlung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 9 Abs. 1 EStG abziehbar ist, hängt von der anschließenden Nutzung der Immobilie ab:
| Anschließende Nutzung | Steuerliche Behandlung |
|---|---|
| Weitervermietung (auch nach Renovierung) | Werbungskosten |
| Eigennutzung durch Vermieter | Nicht abzugsfähig |
| Abriss und Neubau | Herstellungskosten des Neubaus |
| Verkauf der Immobilie | Nicht abzugsfähig, da Vermietungstätigkeit endet |
Ergebnis: Die Abzugsfähigkeit richtet sich nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang mit künftigen Vermietungseinkünften.
Arbeitgeber zahlt an Arbeitnehmer:
Abstandszahlungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Aufhebungsverträgen sind als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig, sofern sie betrieblich veranlasst sind.
Steuerliche Behandlung beim Empfänger
Mieter erhält Abstandszahlung:
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 14.9.1999, IX R 89/95) stellt die Abstandszahlung an einen Wohnungsmieter für die vorzeitige Aufgabe des Mietrechts eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung dar. Die Zahlung ist beim Mieter nicht einkommensteuerpflichtig.
Das Finanzgericht München hat diese Rechtsprechung mit Beschluss vom 24.7.2024 (12 V 1200/24) bestätigt: Abfindungszahlungen an Mieter sind keine steuerpflichtigen Einkünfte im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG.
Arbeitnehmer erhält Abstandszahlung:
Abstandszahlungen an Arbeitnehmer bei Aufhebung des Arbeitsverhältnisses stellen Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG dar. Sie unterliegen der Einkommensteuer, können jedoch bei Vorliegen einer Zusammenballung von Einkünften der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG (Fünftelregelung) unterliegen.
Praktische Beispiele
Beispiel 1: Vermieter zahlt Abstandszahlung für Renovierung
Ein Vermieter erwirbt ein Mehrfamilienhaus und möchte umfangreiche Renovierungsarbeiten durchführen. Er zahlt einem Mieter 20.000 Euro für die vorzeitige Räumung, um die Wohnung anschließend zu einer höheren Miete wieder zu vermieten.
| Position | Betrag |
|---|---|
| Abstandszahlung an Mieter | 20.000 Euro |
| Künftige Mieterhöhung pro Jahr | + 4.800 Euro |
| Steuerliche Behandlung | Werbungskosten |
Ergebnis: Die Abstandszahlung ist als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort abzugsfähig (BFH, Urteil vom 20.9.2022, IX R 29/21).
Beispiel 2: Mieter erhält Abstandszahlung
Ein Vermieter bietet seinem langjährigen Mieter 50.000 Euro, damit dieser vorzeitig auszieht.
| Position | Steuerliche Behandlung |
|---|---|
| Erhaltene Abstandszahlung | 50.000 Euro |
| Einkommensteuer beim Mieter | 0 Euro |
| Begründung | Nicht steuerbare Vermögensumschichtung |
Ergebnis: Der Mieter muss die Abstandszahlung nicht versteuern, da sie den Verzicht auf eine durch Mieterschutzvorschriften geschaffene Vermögensposition darstellt.
Beispiel 3: Arbeitgeber zahlt Abfindung bei Aufhebungsvertrag
Ein Arbeitgeber vereinbart mit einem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag und zahlt eine Abfindung in Höhe von 30.000 Euro.
| Position | Betrag |
|---|---|
| Abfindung brutto | 30.000 Euro |
| Reguläres Jahreseinkommen | 60.000 Euro |
| Zu versteuerndes Einkommen (ohne Fünftelregelung) | 90.000 Euro |
| Steuerliche Behandlung | § 24 Nr. 1 Buchstabe a, § 34 EStG |
Ergebnis: Die Abfindung ist beim Arbeitnehmer einkommensteuerpflichtig, kann aber der ermäßigten Besteuerung nach der Fünftelregelung unterliegen.
Ausnahmen und Besonderheiten
Herstellungskosten bei Neubau
Zahlt ein Vermieter eine Abstandszahlung, um ein bestehendes Gebäude abreißen und ein neues errichten zu können, handelt es sich nicht um sofort abzugsfähige Werbungskosten. Die Zahlung ist den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zuzurechnen und kann nur über die Abschreibung geltend gemacht werden.
Keine anschaffungsnahen Herstellungskosten
Nach dem BFH-Urteil vom 20.9.2022 (IX R 29/21) gehören Abstandszahlungen an Mieter nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich auf Baumaßnahmen am Gebäude selbst.
Gewerbliche Pachtverhältnisse
Bei gewerblichen Pachtverhältnissen kann die Abstandszahlung an den Pächter beim Zahlenden als Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig sein. Beim gewerblichen Pächter stellt die erhaltene Abstandszahlung eine steuerpflichtige Betriebseinnahme dar.
Umsatzsteuer bei Option
Hat der Vermieter bei der Vermietung zur Umsatzsteuerpflicht optiert, kann auch die Abstandszahlung umsatzsteuerpflichtig sein (BFH, Beschluss vom 22.5.2019, XI R 20/17).
Vorteile
sofortige Abzugsfähigkeit: Bei anschließender Weitervermietung können Vermieter die Abstandszahlung als Werbungskosten sofort steuerlich geltend machen.
steuerfreie Einnahme: Wohnungsmieter erhalten die Abstandszahlung für die vorzeitige Aufgabe des Mietrechts grundsätzlich steuerfrei.
ermäßigte Besteuerung: Arbeitnehmer können bei Abfindungen die Fünftelregelung nach § 34 EStG nutzen.
flexible Vertragsgestaltung: Die Abstandszahlung ermöglicht eine einvernehmliche vorzeitige Vertragsbeendigung.
planbare Kosten: Für Zahlende ist der finanzielle Aufwand kalkulierbar und zeitlich bestimmbar.
Nachteile
komplexe Abgrenzung: Die steuerliche Behandlung hängt von vielen Faktoren ab und erfordert sorgfältige Prüfung.
keine Abzugsfähigkeit bei Eigennutzung: Zieht der Vermieter selbst in die geräumte Wohnung, ist die Abstandszahlung nicht als Werbungskosten abzugsfähig.
volle Steuerpflicht im Arbeitsrecht: Abfindungen an Arbeitnehmer unterliegen vollständig der Einkommensteuer.
Herstellungskostenzurechnung bei Neubau: Bei Abriss und Neubau wirkt sich die Abstandszahlung nur über langjährige Abschreibung aus.
Dokumentationsaufwand: Für die korrekte steuerliche Behandlung ist eine sorgfältige Dokumentation der Umstände erforderlich.
Fazit
Die Abstandszahlung ist ein vielseitiges Instrument zur vorzeitigen Beendigung von Vertragsverhältnissen. Ihre steuerliche Behandlung unterscheidet sich grundlegend je nach Perspektive: Während Wohnungsmieter die erhaltene Zahlung nach der Rechtsprechung des BFH steuerfrei vereinnahmen können, ist sie für Arbeitnehmer einkommensteuerpflichtig. Für den Zahlenden hängt die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten oder Betriebsausgaben maßgeblich von der anschließenden Verwendung des Objekts ab. Eine sorgfältige Prüfung der individuellen Umstände und eine vorausschauende Gestaltung sind daher unerlässlich.
Häufige Fragen (FAQ)
Was ist eine Abstandszahlung?
Eine Abstandszahlung ist eine finanzielle Entschädigung, die eine Vertragspartei an die andere leistet, um diese zum Verzicht auf vertragliche Rechte zu bewegen. Sie kommt typischerweise bei der vorzeitigen Aufhebung von Miet-, Pacht- oder Arbeitsverträgen vor.
Muss ein Mieter eine erhaltene Abstandszahlung versteuern?
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 14.9.1999, IX R 89/95) stellt die Abstandszahlung an einen Wohnungsmieter für die vorzeitige Aufgabe des Mietrechts eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung dar. Das Finanzgericht München hat dies mit Beschluss vom 24.7.2024 (12 V 1200/24) bestätigt.
Kann ein Vermieter die Abstandszahlung an den Mieter steuerlich absetzen?
Die Abzugsfähigkeit hängt von der anschließenden Nutzung ab. Bei Weitervermietung ist die Abstandszahlung als Werbungskosten abzugsfähig (BFH, Urteil vom 20.9.2022, IX R 29/21). Bei Eigennutzung oder Abriss gelten andere Regeln.
Wie werden Abfindungen bei Aufhebungsverträgen im Arbeitsrecht besteuert?
Abfindungen an Arbeitnehmer sind als Entschädigungen gemäß § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG voll einkommensteuerpflichtig. Bei Zusammenballung von Einkünften kann die ermäßigte Besteuerung nach der Fünftelregelung des § 34 EStG angewandt werden.
Wann ist eine Abstandszahlung als Betriebsausgabe abzugsfähig?
Eine Abstandszahlung ist als Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig, wenn sie betrieblich veranlasst ist. Dies ist der Fall, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind.
Zählt eine Abstandszahlung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten?
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 20.9.2022 (IX R 29/21) entschieden, dass Abstandszahlungen an Mieter nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gehören. Diese Vorschrift betrifft nur Baumaßnahmen am Gebäude selbst.
Welche Rolle spielt die Umsatzsteuer bei Abstandszahlungen?
Hat der Vermieter bei der Vermietung zur Umsatzsteuerpflicht optiert, kann auch die Abstandszahlung umsatzsteuerpflichtig sein. Der BFH hat mit Beschluss vom 22.5.2019 (XI R 20/17) klargestellt, dass die Option auch den Verzicht auf Rechte aus dem Mietverhältnis erfasst.
Quellen
Bundesfinanzhof. "Urteil vom 14.9.1999 – IX R 89/95." Zugriff am 25. November 2025.
Bundesfinanzhof. "Urteil vom 20.9.2022 – IX R 29/21." https://www.bundesfinanzhof.de Zugriff am 25. November 2025.
Bundesministerium der Justiz. "Einkommensteuergesetz (EStG) § 4, § 9, § 21, § 22, § 24, § 34." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/ Zugriff am 25. November 2025.
Finanzgericht München. "Beschluss vom 24.7.2024 – 12 V 1200/24." Zugriff am 25. November 2025.