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Was ist eine Erstattung?

Kirsten Weißbacher
Verfasst von Kirsten Weißbacher
Zuletzt aktualisiert: 03. Dezember 2025
Lesedauer: 8 Minuten

Alles auf einen Blick:

  • Die Erstattung ist die Rückzahlung von Steuern, wenn der Steuerpflichtige zu viel gezahlt hat.
  • Der Auszahlungsanspruch aus einer Steuerfestsetzung entsteht nach Festsetzung und Bekanntgabe (§ 36 Abs. 4 S. 2 EStG); ein Erstattungsanspruch kann auch nach § 37 Abs. 2 AO bestehen.
  • Der Zinslauf für Erstattungszinsen beginnt 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahrs (§ 233a Abs. 2 AO).
  • Der Zinssatz für Erstattungszinsen beträgt seit 01.01.2019 verfassungskonform 0,15 Prozent pro Monat (§ 238 Abs. 1a AO, rückwirkend ab 01.01.2019).
  • Die Festsetzungsfrist für Steuererstattungen beträgt 4 Jahre nach Ablauf des Steuerjahrs (§ 169 Abs. 2 AO).

Erstattung Definition

Die Erstattung ist die Rückzahlung eines Steuerbetrags an den Steuerpflichtigen, wenn dieser eine Steuer ohne rechtlichen Grund oder in zu hohem Betrag gezahlt hat (§ 37 Abs. 2 AO). Sie entsteht als Erstattungsanspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und wird nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ausgezahlt. Die Erstattung kann sich aus der Einkommensteuer, Umsatzsteuer oder anderen Steuerarten ergeben.

Wie wird die Erstattung berücksichtigt?

Die Erstattung entsteht durch verschiedene Mechanismen im Steuersystem. Bei der Einkommensteuer ergibt sich eine Erstattung, wenn die Summe der Vorauszahlungen und Lohnsteuerabzüge die tatsächliche Jahressteuerschuld übersteigt. Nach Bekanntgabe des Steuerbescheids wird der Überschuss an den Steuerpflichtigen ausgezahlt (§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Bei der Umsatzsteuer führt die jährliche Erklärung zu einer Verrechnung mit den geleisteten Vorauszahlungen. Übersteigen die Vorauszahlungen die Steuerschuld, erfolgt eine Erstattung (§ 18 Abs. 4 UStG). Bei Nachzahlungen ist der Betrag innerhalb von 1 Monat nach Bekanntgabe fällig (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG).

Erstattungszinsen

Auf Steuererstattungen werden Zinsen berechnet, wenn sich diese verzögern. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 AO). Für die Steuerjahre 2023 und 2024 gelten Sonderregelungen gemäß Art. 97 § 36 EGAO: Für das Steuerjahr 2023 beginnt der Zinslauf erst nach 18 Monaten am 1. Juli 2025; für 2024 nach 17 Monaten. Der Zinssatz beträgt seit dem 1. Januar 2019 verfassungskonform 0,15 Prozent pro Monat (1,8 Prozent pro Jahr), festgelegt in § 238 Abs. 1a AO und anwendbar auf Zinsen nach § 233a AO, nachdem das Bundesverfassungsgericht den vorherigen Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat als verfassungswidrig beurteilt hatte. Die Zinsen werden nur für volle Monate berechnet, wobei 30 Zinstage für einen Monat und 360 Zinstage für ein Jahr zugrunde gelegt werden (§ 238 Abs. 1b AO). Der zu verzinsende Betrag wird auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 Abs. 2 AO).

Praktische Beispiele

Beispiel 1: Erstattung durch zu hohe Lohnsteuer

Ein Angestellter verdient 45.000 Euro brutto im Jahr 2025 und zahlt monatlich 600 Euro Lohnsteuer. Nach Abzug von Werbungskosten in Höhe von 1.500 Euro und Sonderausgaben von 2.000 Euro ergibt sich ein zu versteuerndes Einkommen von 41.500 Euro. Die tatsächliche Einkommensteuer beträgt nach der progressiven Tarifformel etwa 8.100 Euro.

BerechnungBetrag
Bruttoeinkommen45.000 Euro
− Werbungskosten1.500 Euro
− Sonderausgaben2.000 Euro
= Zu versteuerndes Einkommen41.500 Euro
Einkommensteuer (progressiv)8.100 Euro
− Gezahlte Lohnsteuer (12 × 600 Euro)7.200 Euro
= Erstattung900 Euro

Ergebnis: Der Steuerpflichtige erhält eine Erstattung von 900 Euro nach Bekanntgabe des Steuerbescheids. (Hinweis: Vereinfachte Berechnung zu Demonstrationszwecken)

Beispiel 2: Erstattung durch Vorauszahlungen

Ein Unternehmer zahlt 2025 vierteljährlich 5.000 Euro Umsatzsteuer als Vorauszahlung. Nach der Jahreserklärung beträgt die tatsächliche Steuerschuld jedoch nur 18.000 Euro.

BerechnungBetrag
Geleistete Vorauszahlungen (4 × 5.000 Euro)20.000 Euro
− Tatsächliche Jahressteuerschuld18.000 Euro
= Erstattung2.000 Euro

Ergebnis: Der Unternehmer erhält eine Erstattung von 2.000 Euro, die nach Bekanntgabe der Jahreserklärung ausgezahlt wird.

Beispiel 3: Erstattung mit Zinsen

Ein Steuerpflichtiger erhält für das Steuerjahr 2023 eine Erstattung von 5.000 Euro. Der Zinslauf beginnt am 1. Juli 2025 (18 Monate nach Ablauf des Jahres 2023 gemäß der Sonderregelung für 2023; Art. 97 § 36 EGAO). Der Steuerbescheid wird im Juni 2026 bekanntgegeben, sodass 11 volle Monate Verzinsung anfallen (Juli 2025 bis Mai 2026). Bei einem Zinssatz von 0,15 Prozent pro Monat beträgt die Erstattung mit Zinsen:

BerechnungBetrag
Erstattungsbetrag5.000 Euro
× Zinssatz (0,15 % pro Monat)0,15 %
× Verzinsungsdauer (11 Monate)11 Monate
= Zinsbetrag82,50 Euro
= Erstattung mit Zinsen5.082,50 Euro

Ergebnis: Der Steuerpflichtige erhält insgesamt 5.082,50 Euro inklusive Erstattungszinsen.

Ausnahmen und Besonderheiten

Die Erstattung kann durch Aufrechnung mit anderen Steueransprüchen gemindert werden (§ 226 AO). Das Finanzamt darf den Erstattungsanspruch mit Steuerschulden des Steuerpflichtigen verrechnen. Eine Erstattung ohne rechtlichen Grund ist möglich, wenn eine Steuer gezahlt wurde, obwohl kein Anspruch bestand oder der rechtliche Grund später wegfallen ist (§ 37 Abs. 2 AO).

Bei Reisekostenerstattungen des Arbeitgebers gehören diese nicht zum Bruttoarbeitslohn, wenn sie die steuerlichen Pauschbeträge nicht überschreiten (§ 3 Nr. 16 EStG). Eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 EStG kann erforderlich sein, wenn beispielsweise andere Einkünfte ohne Lohnsteuerabzug oder mit Progressionsvorbehalt insgesamt mehr als 410 Euro betragen (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG).

Bei Quellensteuerentlastungen im Ausland können Künstler, Sportler, Lizenzgeber und Aufsichtsräte Entlastung durch Freistellung oder Erstattung nach § 50c EStG beantragen (Bundesfinanzministerium).

Vorteile

  • automatische Verrechnung: Vorauszahlungen und Lohnsteuerabzüge werden automatisch mit der Jahressteuerschuld verrechnet, ohne dass der Steuerpflichtige tätig werden muss.

  • Erstattungszinsen: Bei verzögerter Auszahlung erhalten Steuerpflichtige Zinsen auf den Erstattungsbetrag (0,15 % pro Monat). Grundregel: ab 15 Monaten; für 2023/2024 gelten Sonderfristen (18 Monate für 2023, 17 Monate für 2024).

  • Rechtsschutz: Der Erstattungsanspruch ist gesetzlich verankert und kann notfalls gerichtlich durchgesetzt werden.

  • Breite Anwendbarkeit: Erstattungen entstehen bei Einkommensteuer, Umsatzsteuer und anderen Steuerarten durch unterschiedliche Konstellationen.

  • Rechtssicherheit der Auszahlung: Nach Bekanntgabe des Steuerbescheids besteht ein Auszahlungsanspruch (§ 36 Abs. 4 EStG), der vom Finanzamt eingelöst werden muss.

Nachteile

  • lange Wartezeit: Der Zinslauf beginnt erst 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahrs (Grundregel) oder später bei Sonderregelungen (18 Monate für 2023, 17 Monate für 2024), sodass Steuerpflichtige lange auf Zinsen warten müssen.

  • Aufrechnung möglich: Das Finanzamt kann Erstattungsansprüche mit anderen Steuerschulden des Steuerpflichtigen verrechnen.

  • niedrige Erstattungszinsen: Der Zinssatz von 0,15 Prozent pro Monat (1,8 Prozent pro Jahr) liegt deutlich unter der Inflationsrate und kompensiert den Kaufkraftverlust nicht.

  • komplexe Berechnung: Die Zinsberechnung nach § 238 AO mit Auf- und Abrundungsregeln ist für Laien schwer nachvollziehbar.

  • Festsetzungsfrist: Die Erstattung kann nur innerhalb von 4 Jahren nach Ablauf des Steuerjahrs festgesetzt werden (§ 169 Abs. 2 AO).

HINWEIS DER REDAKTION
Unser Steuerlexikon basiert auf dem jeweils aktuellen Stand von Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Zeitpunkt der Erstellung. Da sich steuerliche Regelungen dynamisch entwickeln, können spätere Anpassungen erforderlich sein. Wir verfolgen Änderungen kontinuierlich und aktualisieren die Inhalte regelmäßig. Dieses Lexikon ersetzt keine individuelle Steuerberatung. Bitte konsultieren Sie in spezifischen Fällen einen Steuerberater.


Fazit

Die Erstattung ist ein zentrales Element des deutschen Steuersystems, das Steuerpflichtigen die Rückzahlung zu viel gezahlter Steuern sichert (§ 37 Abs. 2 AO; § 36 Abs. 4 EStG). Nach Bekanntgabe des Steuerbescheids besteht ein Auszahlungsanspruch. Erstattungszinsen nach § 233a Abs. 2 AO in Höhe von 0,15 Prozent pro Monat (1,8 Prozent pro Jahr, § 238 Abs. 1a AO) entschädigen Verzögerungen teilweise, allerdings liegt dieser Satz deutlich unter der Inflationsrate. Grundregel: Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahrs; für 2023 gelten Sonderregelungen (18 Monate, Art. 97 § 36 EGAO). Nutzen Sie Vorauszahlungen und Lohnsteuerabzüge optimal aus, um Erstattungen zu maximieren. Beachten Sie mögliche Aufrechnung mit Steuerschulden (§ 226 AO), die Sie beim Finanzamt anfechten können.

Häufige Fragen (FAQ)

Wann erhalte ich meine Steuererstattung?

Die Erstattung wird nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ausgezahlt (§ 36 Abs. 4 EStG). Der Auszahlungsanspruch besteht ab Festsetzung und Bekanntgabe, ein konkreter Zeitrahmen ist jedoch nicht gesetzlich vorgegeben. Bei Nachzahlungen ist der Betrag innerhalb von 1 Monat nach Bekanntgabe fällig.

Wie werden Erstattungszinsen berechnet?

Erstattungszinsen werden ab 15 Monaten nach Ablauf des Steuerjahrs berechnet (§ 233a Abs. 2 AO). Der Zinssatz beträgt seit dem 1. Januar 2019 verfassungskonform 0,15 Prozent pro Monat (1,8 Prozent pro Jahr; § 238 Abs. 1a AO). Für 2023 gelten Sonderregelungen: Zinslauf beginnt am 1. Juli 2025 (18 Monate); für 2024 nach 17 Monaten (Art. 97 § 36 EGAO). Die Berechnung erfolgt nur für volle Monate mit 30 Zinstagen pro Monat und 360 Zinstagen pro Jahr (§ 238 Abs. 1b AO). Der zu verzinsende Betrag wird auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 Abs. 2 AO).

Kann das Finanzamt meine Erstattung mit Steuerschulden verrechnen?

Das Finanzamt darf Erstattungsansprüche mit anderen Steuerschulden des Steuerpflichtigen aufrechnen (§ 226 AO). Dies ist ein gesetzlich zulässiges Verfahren, kann aber durch Einspruch angefochten werden.

Wie lange gilt die Festsetzungsfrist für Erstattungen?

Die reguläre Festsetzungsfrist für Steuererstattungen beträgt 4 Jahre nach Ablauf des Steuerjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 AO). Bei Steuerhinterziehung verlängert sich die Frist auf 10 Jahre.

Welche Erstattungen gehören nicht zum Arbeitslohn?

Reisekostenerstattungen des Arbeitgebers gehören nicht zum Bruttoarbeitslohn, wenn sie die steuerlichen Pauschbeträge nicht überschreiten (§ 3 Nr. 16 EStG). Eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG kann erforderlich sein, wenn andere Einkünfte ohne Lohnsteuerabzug oder mit Progressionsvorbehalt insgesamt über 410 Euro liegen.

Kann ich eine Erstattung beantragen, wenn ich keine Steuererklärung eingereicht habe?

Eine Erstattung entsteht durch die Verrechnung von Vorauszahlungen und Lohnsteuerabzügen mit der tatsächlichen Steuerschuld. Um eine Erstattung zu erhalten, müssen Sie eine Steuererklärung einreichen. Ohne Erklärung kann das Finanzamt die Erstattung nicht berechnen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Erstattung und Erlass?

Die Erstattung ist die Rückzahlung einer gezahlten Steuer, während der Erlass die Befreiung von einer noch nicht gezahlten Steuerschuld ist. Beide sind Wege, wie Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen (§ 47 AO).

Quellen & weiterführende Informationen

Deutscher Bundestag. "Abgabenordnung (AO) § 36, § 37, § 226, § 233a, § 238." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/ Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Einkommensteuergesetz (EStG) § 3 Nr. 16, § 36, § 46, § 50c." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/ Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Umsatzsteuergesetz (UStG) § 18." https://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/__18.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) Art. 97 § 36 (Sonderregelungen für Zinsen 2020–2024)." https://www.gesetze-im-internet.de/aoeg_1977/art_97__36.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Bundesfinanzministerium. "Quellensteuerentlastung nach § 50c EStG." https://www.bzst.de/DE/Unternehmen/Abzugsteuern/Abzugsteuerentlastung/abzugsteuerentlastung_node.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Über unsere*n Autor*in
Kirsten Weißbacher
Kirsten hat Germanistik in Hamburg studiert und im Anschluss ein Volontariat gemacht. Nach ihrem Start in der Unternehmenskommunikation eines lokalen Herstellers wechselte sie in die freiberufliche Tätigkeit. Seit Februar 2024 ist Kirsten bei Digitale Seiten und schreibt dort Ratgeber zu Handwerksthemen aller Art.