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Was ist die Bilanzierung?

Kirsten Weißbacher
Verfasst von Kirsten Weißbacher
Zuletzt aktualisiert: 03. Dezember 2025
Lesedauer: 7 Minuten

Alles auf einen Blick:

  • Die Bilanzierung ist die systematische Erfassung von Vermögensgegenständen und Schulden nach § 238 HGB.
  • Kaufleute müssen zu Beginn und am Ende jedes Geschäftsjahres eine Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung aufstellen (§ 242 HGB).
  • Einzelkaufleute können sich befreien lassen, wenn Umsatz unter 800.000 Euro und Gewinn unter 80.000 Euro liegen (§ 241a HGB).
  • Aufbewahrungsfrist für Handelsbücher beträgt 10 Jahre, für Buchungsbelege 8 Jahre (§ 257 HGB).
  • Die eBilanz-Taxonomie 6.9 ist grundsätzlich für Bilanzen der Wirtschaftsjahre zu verwenden, die nach dem 31. Dezember 2025 beginnen (Pflicht ab Wirtschaftsjahr 2026); eine Nutzung für 2025 wird nicht beanstandet (BMF-Schreiben 10.06.2025).

Bilanzierung Definition

Die Bilanzierung ist die systematische Erfassung, Bewertung und Darstellung des Betriebsvermögens eines Unternehmens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Nach § 238 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und seine Handelsgeschäfte sowie die Vermögenslage nach GoB ersichtlich zu machen. Die Bilanzierung bildet die Grundlage für die Gewinnermittlung und die Besteuerung von Unternehmen (§ 5 Abs. 1 EStG).

Wie wird die Bilanzierung durchgeführt?

Die Bilanzierung folgt einem strukturierten Prozess, der auf gesetzlich definierten Grundsätzen basiert. Nach § 252 Abs. 1 HGB sind die allgemeinen Bewertungsgrundsätze zu beachten (u. a. Fortführung der Unternehmenstätigkeit, Einzelbewertung, Vorsicht mit Realisations- und Imparitätsprinzip, Periodenabgrenzung, Bewertungsstetigkeit); die Bewertung erfolgt zum Abschlussstichtag.

Jahresabschluss und Anschaffungskosten

Jeder Kaufmann muss zu Beginn seines Handelsgewerbes und am Ende jedes Geschäftsjahres einen Jahresabschluss aufstellen, bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 HGB). Die Anschaffungskosten werden nach § 255 Abs. 1 HGB als Aufwendungen definiert, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können.

Gewinnermittlung nach Bilanzierung

Nach § 4 Abs. 1 EStG wird der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Der Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Jahres, vermehrt um Entnahmen und vermindert um Einlagen. Für Steuerpflichtige, die nicht zur Bilanzierung verpflichtet sind, gilt die Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.

Praktische Beispiele

Beispiel 1: Kleine Kapitalgesellschaft mit Bilanzierungspflicht

Eine GmbH mit 45 Mitarbeitern, 12 Millionen Euro Umsatzerlöse und 6 Millionen Euro Bilanzsumme muss bilanzieren. Die Gesellschaft erfasst alle Vermögensgegenstände und Schulden nach GoB und erstellt am 31. Dezember einen Jahresabschluss mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung.

BilanzpositionBetrag
Anlagevermögen2.500.000 Euro
Umlaufvermögen3.500.000 Euro
= Bilanzsumme6.000.000 Euro
Eigenkapital2.000.000 Euro
Schulden4.000.000 Euro
= Passiva gesamt6.000.000 Euro

Ergebnis: Die GmbH ist kraft Rechtsform stets zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet (§ 264 Abs. 1 i. V. m. § 242 HGB). Sie erfüllt hier zudem die Schwellenwerte einer kleinen Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 1 HGB: ≤ 7,5 Mio. € Bilanzsumme, ≤ 15 Mio. € Umsatzerlöse, ≤ 50 Arbeitnehmer – maßgeblich sind mindestens zwei Kriterien an mindestens zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen).

Beispiel 2: Einzelkaufmann mit Befreiungsmöglichkeit

Ein Einzelhandelsunternehmen erwirtschaftet 750.000 Euro Umsatz und 60.000 Euro Gewinn. Das Unternehmen erfüllt die Befreiungsgrenzen nach § 241a HGB (Umsatz unter 800.000 Euro, Gewinn unter 80.000 Euro) und kann sich von der Bilanzierungspflicht befreien lassen.

Ermittlung BefreiungBetrag
Umsatzerlöse750.000 Euro
Grenze nach § 241a HGB800.000 Euro
Unterschied50.000 Euro
Gewinn erwirtschaftet60.000 Euro
Gewinngrenze80.000 Euro
= Befreiung möglichJa

Ergebnis: Der Einzelkaufmann kann statt Bilanzierung eine Einnahmen-Überschussrechnung führen und profitiert von vereinfachten Aufzeichnungspflichten.

Ausnahmen und Besonderheiten

Nach § 241a HGB können Einzelkaufleute von der Bilanzierungspflicht befreit werden, wenn sie im vorangegangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von nicht mehr als 800.000 Euro und einen Gewinn von nicht mehr als 80.000 Euro hatten (Zwei-Stichtage-Regel). § 141 AO ordnet für gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte eine steuerliche Buchführungspflicht an, u. a. bei Gesamtumsatz > 800.000 Euro im Kalenderjahr oder Gewinn > 80.000 Euro (Gewerbe im Wirtschaftsjahr; Land- und Forstwirtschaft im Kalenderjahr). Elektrofahrzeuge, die nach dem 30. Juni 2025 und vor dem 1. Januar 2028 angeschafft oder hergestellt werden, können mit einer degressiven Abschreibung von bis zu 75 Prozent im ersten Jahr abgeschrieben werden (§ 7 Abs. 2a EStG). Bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 30. Juni 2025 und vor dem 1. Januar 2028 angeschafft oder hergestellt werden, können mit einer maximalen degressiven Abschreibung von 30 Prozent abgeschrieben werden (§ 7 Abs. 2 EStG).

Vorteile

  • systematische Vermögenserfassung: Die Bilanzierung ermöglicht eine genaue Darstellung des Betriebsvermögens und der Schulden nach einheitlichen Grundsätzen.

  • verlässliche Gewinnermittlung: Der Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG liefert eine objektive und nachvollziehbare Grundlage für die Besteuerung.

  • externe Transparenz: Gläubiger, Geschäftspartner und Behörden erhalten verlässliche Informationen über die finanzielle Lage des Unternehmens.

  • elektronische Abwicklung: Die eBilanz-Übermittlung nach § 5b EStG vereinfacht die Kommunikation mit dem Finanzamt durch standardisierte Datenformate.

  • Kreditwürdigkeit: Ein ordnungsgemäß bilanziertes Unternehmen hat bessere Chancen bei der Kreditvergabe durch Banken.

Nachteile

  • hoher administrativer Aufwand: Die Bilanzierung erfordert qualifiziertes Personal und spezialisierte Buchhaltungssoftware zur Erfassung aller Geschäftsvorfälle.

  • lange Aufbewahrungsfristen: Handelsbücher müssen 10 Jahre, Buchungsbelege 8 Jahre und Handelsbriefe 6 Jahre aufbewahrt werden (§ 257 HGB).

  • komplexe Bewertungsregeln: Die Anwendung von GoB-Prinzipien und Bewertungsgrundsätzen nach § 252 HGB erfordert Fachkompetenz.

  • eBilanz-Verpflichtung: Die eBilanz-Taxonomie 6.9 ist grundsätzlich für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2025 Pflicht; eine Nutzung ab 2025 wird nicht beanstandet (BMF-Schreiben 10.06.2025).

  • Beratungskosten: Für kleine Unternehmen entstehen erhebliche Kosten durch externe Steuerberater und Buchhalter.

HINWEIS DER REDAKTION
Unser Steuerlexikon basiert auf dem jeweils aktuellen Stand von Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Zeitpunkt der Erstellung. Da sich steuerliche Regelungen dynamisch entwickeln, können spätere Anpassungen erforderlich sein. Wir verfolgen Änderungen kontinuierlich und aktualisieren die Inhalte regelmäßig. Dieses Lexikon ersetzt keine individuelle Steuerberatung. Bitte konsultieren Sie in spezifischen Fällen einen Steuerberater.


Fazit

Die Bilanzierung ist für Kaufleute ein zentrales Instrument zur systematischen Erfassung von Vermögen und Schulden nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 238 HGB). Während große Unternehmen verpflichtet sind, Bilanzen aufzustellen, können kleinere Einzelkaufleute sich unter bestimmten Bedingungen befreien lassen, wenn Umsatz unter 800.000 Euro und Gewinn unter 80.000 Euro liegen (§ 241a HGB). Die Bilanzierung ermöglicht verlässliche Gewinnermittlung, externe Transparenz und verbesserte Kreditwürdigkeit, erfordert aber erheblichen administrativen Aufwand und spezialisiertes Fachpersonal. Nutzen Sie die Befreiungsmöglichkeiten, wenn Sie die Grenzen unterschreiten, und beachten Sie die neue eBilanz-Taxonomie 6.9 für Geschäftsjahre ab 2026 bei der elektronischen Übermittlung an das Finanzamt.

Häufige Fragen (FAQ)

Wer ist zur Bilanzierung verpflichtet?

Jeder Kaufmann ist nach § 238 HGB zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet. Einzelkaufleute können sich befreien lassen, wenn Umsatz unter 800.000 Euro und Gewinn unter 80.000 Euro liegen (§ 241a HGB). Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG müssen immer bilanzieren.

Welche Aufbewahrungsfristen gelten für Bilanzunterlagen?

Handelsbücher, Inventare, Bilanzen und Jahresabschlüsse müssen 10 Jahre aufbewahrt werden (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Buchungsbelege und Geschäftsvorfallbelege müssen 8 Jahre aufbewahrt werden. Empfangene und abgesandte Handelsbriefe müssen 6 Jahre aufbewahrt werden.

Wie wird der Gewinn nach Bilanzierung ermittelt?

Der Gewinn wird durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Ende und am Anfang des Wirtschaftsjahres wird um Entnahmen vermehrt und um Einlagen vermindert.

Was ist das Maßgeblichkeitsprinzip?

Das Maßgeblichkeitsprinzip nach § 5 Abs. 1 EStG besagt, dass die Gewinnermittlung für Steuerzwecke auf den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung basiert. Die Bilanz nach HGB ist für die Steuerbilanz maßgeblich.

Welche Bewertungsgrundsätze müssen beachtet werden?

Nach § 252 Abs. 1 HGB sind die allgemeinen Bewertungsgrundsätze zu beachten: Fortführung der Unternehmenstätigkeit (Going-Concern), Einzelbewertung, Vorsicht (mit Realisations- und Imparitätsprinzip), Periodenabgrenzung und Bewertungsstetigkeit. Die Bewertung erfolgt zum Abschlussstichtag. Diese Grundsätze sind zwingend bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu beachten.

Was ist die eBilanz-Taxonomie 6.9?

Die eBilanz-Taxonomie 6.9 ist grundsätzlich für Wirtschaftsjahre ab 2026 (also nach dem 31. Dezember 2025 beginnend) Pflicht; für 2025 wird eine Nutzung nicht beanstandet (BMF-Schreiben 10.06.2025). Sie definiert standardisierte Datenformate für die elektronische Übermittlung von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnung und Kontennachweisen an das Finanzamt nach § 5b EStG.

Können kleine Kapitalgesellschaften vereinfachte Bilanzierungsregeln nutzen?

Kleine Kapitalgesellschaften mit Bilanzsumme unter 7.500.000 Euro, Umsatzerlösen unter 15 Millionen Euro und weniger als 50 Mitarbeitern können nach § 267 Abs. 1 HGB vereinfachte Offenlegungsregeln nutzen. Kleinstkapitalgesellschaften mit Bilanzsumme unter 450.000 Euro und Umsatz unter 900.000 Euro haben noch weitere Erleichterungen.

Quellen & weiterführende Informationen

Deutscher Bundestag. "Handelsgesetzbuch (HGB)." https://www.gesetze-im-internet.de/hgb/__238.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Einkommensteuergesetz (EStG)." https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__4.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Bundesfinanzministerium. "eBilanz-Taxonomien 6.9." https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/2025-06-10-ebilanz-taxonomien-6-9.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Deutscher Bundestag. "Abgabenordnung (AO)." https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__140.html Zugriff am 15. Januar 2025.

Über unsere*n Autor*in
Kirsten Weißbacher
Kirsten hat Germanistik in Hamburg studiert und im Anschluss ein Volontariat gemacht. Nach ihrem Start in der Unternehmenskommunikation eines lokalen Herstellers wechselte sie in die freiberufliche Tätigkeit. Seit Februar 2024 ist Kirsten bei Digitale Seiten und schreibt dort Ratgeber zu Handwerksthemen aller Art.